Samstag, 6. Dezember 2008

Erste Eindrücke

Bericht einer Reise nach Butiro in Uganda. Der Freundeskreis christliche Sozialarbeit in Uganda hat einen neuen Vorsitzenden, Manfred Wardin. Sein Vorgänger und Gründer des Freundeskreises hat aus Alters- und Gesundheitsgründen den Stab weitergereicht. Was ist nun die vordringlichste Aufgabe eines Vorsitzenden? Dass er Auskunft geben kann, am besten durch eigene Anschauung. So liess die Einladung der Mwakas nach Uganda nicht auf sich warten. Irgendwelche Bedenken meinerseits betreffs lauernder Gefahren in Form von diversen Krankheiten, ungesundem Klima und so weiter wurden von der Gastgeberin beiseite gewischt: „Das reden nur Leute, die noch nie hier waren“. Schließlich lebt Elisabeth Mwaka inzwischen seit 19 Jahren dort und erfreut sich bester Gesundheit und krank werden kann man in Deutschland auch. Also wurde ein Flug gebucht, und dann Erkundigungen eingeholt, welche Bedingungen noch zu erfüllen sind, um in dieses Land zu reisen. Man sollte sich besser vorher schlau machen…fast hätte die Zeit bis zum Abflug nicht gereicht, alle Impfungen zu schaffen. Also wir packen, wir haben zu viel Gewicht – das Gepäck natürlich. Per Computer gebucht, Tickets selbst ausgedruckt, spitze, wie das alles so geht. Ganz unvermutet gut geschlafen in der Nacht davor. Was fällt als Erstes auf in Uganda? Mangel, viele Menschen, Linkverkehr, unbekümmertes Verhalten der Verkehrsteilnehmer, kein unbeschädigtes Auto, Verkehrsregeln, was ist das denn. Was wirklich bei allen Autos funktioniert ist die Hupe, gerne und ausgiebig im Einsatz, eben kein „Notsignal“ sondern „Hallo, hier bin Ich“. Überholmanöver, die einem ohnehin lausigen Beifahrer wie ich es bin, das Grausen lehren. Der entgegenkommende will ja auch leben und so passen halt mal drei Autos nebeneinander. Der Straßenzustand scheint ganz ok, bis man den Einzugsbereich der größeren Städte verlässt. Unser Fahrer, Joseph, vermeidet die meisten Fahrbahnschäden elegant, hin und wieder lässt es sich aber nicht vermeiden, ein Loch zu treffen. Unser Auto ist robust, 10 Jahre alt und hart im Nehmen. 18:30 Uhr beginnt die Dämmerung, es wirkt wie im Kino früher, als wenn jemand das Licht ausdreht. Um 19:00 Uhr ist es stockfinster. Das ist lange kein Grund das Licht am Wagen anzuschalten. Erst wenn es wirklich nicht mehr geht heißt es Licht an. Meistens brennt nur ein Scheinwerfer, so lässt man rechts blinken, damit der Gegenverkehr abschätzen kann, wie weit das Fahrzeug in seine Bahn reicht und er nicht fälschlicher Weise meint, wir wären ein Motorrad. Straßenbeleuchtung ist nicht vorhanden, dafür massenhaft Fußgänger, die rechts und links ihres Weges ziehen. Dazwischen Motorräder, boda boda-Taxis, mit bis zu vier Personen beladen. Etwas preisgünstiger die boda bodas auf Fahrradbasis, Fußstützen und ein dickes Kissen auf dem Gepäckträger ermöglichen sicheren Transport einer Person inklusive Wocheneinkauf. Überhaupt, die Fahrräder: für viele Männer der Lebensunterhalt. Da werden Feuerholzzweige hochgepackt oder Riesensäcke mit Lebensmittel der Marktkundschaft nach Hause transportiert. Selbst ein hölzernes Bettgestell hochkant verschnürt, ist nicht zu viel verlangt. Dass diese Fahrräder das aushalten, spricht für ihre Qualität. Für den Fernverkehr gibt es die Minitaxis, zugelassen für 16 Personen, steht an der Seite dran, meist passen 20+ rein, plus Gepäck auf dem Dach und unter der Heckklappe festgezurrt. So könnte man endlos weiter berichten, aber dies soll ja kein Buch werden. Bevor es plötzlich dunkel wurde, sah man da schöne Landschaft, viel Grün, Maisfelder ohne Ende. Auf jedem Feld, in der Mitte oder wo es passt, wohnt der Besitzer. Ab und an sieht man einen übriggebliebenen Urwaldbaum, der ahnen lässt, wie es früher mal war. Kleine Ortschaften säumen die Straße mit sehr einfachen Gebäuden in denen winzige Läden untergebracht sind. Fahrradwerkstätten, Möbelproduktion und immer wieder kleine Märkte, mit allem möglichem im Angebot. Bald ist die „feste“ Straße zu Ende, es geht auf Buckelpiste weiter. Geschwindigkeitsbeschränkung ist unbekannt, wer sich auf der Straße hält ist nicht zu schnell. Die Fahrer haben es drauf, kaum jemand fährt mehr als 80 km/h, das reicht auch. Keine Beschilderung gibt es, jeder weiss, wo er hin will. Die Bewohner der Dörfer hätten es aber durchaus gerne, wenn man durch die spielenden Kinder und flüchtenden Hühnern etwas langsamer fährt. Wie gesagt, selbst wenn mal Schilder da stehen, kümmert sich niemand drum. Also greift man zur Selbsthilfe und schüttet kleine Dämme aus Erde quer über die Fahrbahn auf, ca 25 cm hoch. Ich habe niemanden beobachtet, der diese „Geschwindigkeitsbeschränkung“ missachtet. Deutsche Bodenfreiheit hat hier keine Change. Nach 6,5 Stunden haben wir Butiro erreicht und finden Familie Mwakas Haus einladend mit 4 Sternen. Unser Zimmer ist erst ein paar Tage vor unserer Ankunft fertig geworden, wir fühlen uns gleich richtig gut. Es gibt elektrisches Licht! Zwar noch nicht in unserem Zimmer, sonst eine Sparbirne pro Raum, aber immerhin.. Öffentlicher Strom ist seit Jahren vom Staat versprochen, nur die Leitungen bleiben ohne Saft. Hier lädt die Sonne eine Batterie auf, das reicht für die strategisch verteilte Lampen für ganznächtliches Licht im Haus, der pure Luxus für Butiro, goldwert beim nächtlichen Weg aufs Örtchen. Das Haus ist mit der wachsenden Familie Mwaka mitgewachsen. Hatte es zunächst Wohnzimmer, Küche, drei Schlafzimmer und Bad, wurde mit der Zeit eine Außenküche, Nähfernsehgemeinschaftsraum (Fernsehen nur am Samstag mit teurem Generatorstrom), Jungszimmer, Mädchenzimmer, Garage, Außenbadezimmer, Geschirrspülecke und (unser) Besucherzimmer angebaut. Stellt man sich das ganze um einen kleinen Hof gruppiert vor, entstand ein Gebäude wie eine kleine Burg, die Geborgenheit vermittelt, ein Zuhause, in dass man gern heimkehrt. Durchschnittlich 16 bis manchmal 20 Personen leben hier, ohne dass ein Gefühl der Enge aufkommt. In den Schulferien kommen oft noch ein paar Waisen dazu, weil sie kein Zuhause haben, in das sie in die Ferien fahren können. Da werden auch schon mal die Betten doppelt belegt und niemand findet das beengend. Fragt man Elisabeth, wie sie den Haushalt mit so vielen Leuten schafft neben ihrer Arbeit mit den Waisen, lacht sie nur: Montags wird ein Plan erstellt, wer wann welche Aufgaben zu erfüllen hat. So ist dann jeder mal mit Wäsche waschen, Haus ausfegen, Essen kochen, Geschirr spülen und was sonst noch alles anfällt dran. Meist klappt das auch, säumige werden freundlich von den anderen auf Trap gebracht. Butiro liegt ca 50 KM von der nächsten Stadt, Mbale, entfernt. In Mbale ist die Schulsituation einigermassen gut. Es gibt etliche staatliche Schulen. Auf dem Lande sind die Schulen seltener und weit verstreut. Hier ein Einschub, den Elisabeth geschrieben hat: "Nur etwa die Hälfte aller Jugendlichen im District schafft es, den staatlich anerkannten Grundschulabschluss zu machen. Dieser ist die Voraussetzung für den späteren Besuch einer Sekundarschule oder auch eine staatlich anerkannten Berufsausbildung. Grosse Entfernung zu Schulen, überfüllte Klassen, wenig Perspektiven der Weiterbildung oder Berufsausbildung, dann auch das Zunehmende HIV/Aids-Problem mit den vielen hinterbliebenen Waisen führen dazu, daß viele der Jugendlichen die Schulen verlassen. Die Mädchen heiraten dann oft früh, während die Jungen manchmal erst ihr Glück im nahegelegenen Kenia versuchen, oder auch als Gelegenheitsarbeiter in den Städten wie Kampala ziehen und dabei oft unter die Räder kommen. (Prostituierten besuch, HIV-Infektionen, AnschluB an Räuberbanden etc.) Auch die jungen Leute, welche im Heimatort verbleiben, heiraten meist früh und versuchen dann mehr schlecht als recht, ihre oft vielköpfige Familie zu ernähren. Einer Familie, nach wiederholtem Aufteilen des vererbten Grundstückes, verbleibt oft nicht mehr als 1/4 Hektar Land zur Bewirtschaftung. Die Aids-Seuche verursacht zusätzlich eine Anzahl wirtschaftlicher und sozialer Probleme. Wenn das zuerst infizierte Elternteil (oft der Vater) an Aids erkrankt, werden oft alle Ressourcen der Familie für die Behandlung der im Durchschnitt ein bis zwei Jahre dauernden Krankheitszeit aufgebraucht. Land, Ziegen, Kuh etc. werden verkauft, in dem verzweifelten Versuch, den Vater zu retten. Wenn dann die Mutter erkrankt, lebt die Familie bereits meist in großer Armut. Hinzu kommt das soziale Stigma, welches diese Krankheit für die Familie mit sich bringt. Die großen Leidtragenden sind am Ende die Kinder. Nach dem Tod beider Eltern werden die Kleineren meist unter der Verwandtschaft aufgeteilt, während die älteren Kinder versuchen, weiterhin das Land zu bewirtschaften und das Haus zu erhalten. Die Seuche hat die ursprünglichen Familienstrukturen massiv angegriffen und das soziale traditionelle System, welches für Waisen und Verlassene sorgte, funktioniert oft nicht mehr. Man nennt die Kinder eine "Waisengeneration“, ohne Hilfe von außen, Hilfe bei der Ausbildung und Hilfe, Fähigkeiten zu erlernen, die ihnen helfen auf eigenen Füßen zu stehen, haben diese bedürftigen und verwaisten Kinder wenig Hoffnung für ihre Zukunft." Elisabeth hat ein großes Herz für Ihre Waisen. Aids und Alkohol sorgen dafür, dass es immer eine große Nachfrage nach Plätzen gibt. Es können nicht alle angenommen werden, aber wie wählt man aus, wenn es doch eigentlich so viel mehr nötig hätten? Etwa 350 Waisen werden derzeit durch Paten in Deutschland unterstützt, etwa 150 trägt man so durch, in der Hoffnung, bald auch für sie Paten zu finden. Für etwa 500 weitere Kinder zahlen die Eltern das Schulgeld. Es gibt Waisen in allen Altersgruppen, ab Grundschule bis Mittlere Reife. Wer gut in der Schule ist, macht nach Möglichkeit das Abitur und einigen wurde durch ihre Sponsoren gar ein Studium ermöglicht. So sind einige der Lehrer in Butiro und auch in neuen Schulen außerhalb Butiros schon aus den eigenen Reihen. Anderen jungen Leuten wird eine Berufsausbildung ermöglicht in vier Zweigen, nämlich Sekretärinnen, Schneider, Tischler und Maurer. Nach Abschluss der Lehre wird angestrebt, ihnen eine Grundausrüstung an Werkzeug, Nähmaschine, Schreibmaschine etc. zu überlassen, so dass sie sich in ihren Heimatorten selbstständig machen können. Manchmal kommen auch ältere Waisen in das Programm, die bisher keine Gelegenheit hatten, zur Schule zu gehen, zB weil sie für kleinere Geschwister sorgen mussten. Da versucht man eine einjährige Ausbildung, die ihnen das allernötigste Wissen vermittelt in Theorie und Praxis. Als wir in Butiro ankommen, sind Hochzeitsvorbereitungen im vollen Gang. Elisabeths älteste Pflegetochter Jeska heiratet. Alle Anwesenden sind freudig aufgeregt. Es ist schon fortgeschrittener Abend, da fällt ihnen ein, dass die Hochzeitskleider der jungen Frauen noch unbedingt gewaschen werden müssen. Gewaschen wird mit kaltem Wasser, natürlich von Hand und ohne Heißlufttrockner. Alle wissen, dass die Kleider nicht mehr trocken werden bis zum Morgen. „Die bügeln wir trocken“ mittels Holzkohle beheizten Bügeleisen. Die Europäer denken bei sich, „das wird nie was“. Zur Abfahrt am nächsten Tag sehen alle Hochzeitsgäste aus, wie aus dem Ei gepellt. Der Bräutigam ist ebenfalls durch die Butiro Schule gegangen und hat Maurer gelernt. In Uganda ist es noch üblich, dass ein Brautpreis bezahlt wird. Hier war die Braut als Kind vom Klan verstoßen worden. Elisabeth hat sie all die Jahre an Kindesstatt versorgt, man möchte meinen, hier ist der Brautpreis hinfällig, oder er würde Elisabeth zustehen. Weit gefehlt, wie aus dem Nichts erschienen die Klanvertreter des Mädchens und forderten ihr „Recht“ ein. Für die Braut war es eine Freude, war es doch ein Beweis für sie, dass sie von ihren Leuten nicht vergessen ist. Ein paar Beispiele der Lebensumstände: Elisabeth schreibt: "Dann wolltest Du einige Infos zu Lebensmittel Preisen: 1 kg Bohnen kosten zur Zeit (Ernte) 800 USH, dann zur Trockenzeit 1.500 USH; Mais etwa die Haelfte. Arbeitsloehne sind recht gering. Ein Landarbeiter, der z. B beim Nachbarn einen Tag im Garten arbeitet bekommt in Butiru ortsueblich 2.000 USH pro Tag plus Lunch. Dem Paul haben wir 2.500 pro Hemd Arbeitslohn bezahlt, er ist ja auch noch nicht mit seiner Ausbildung fertig und wird von uns noch weiter mit Schulgeld unterstuetzt. Unsere Schulleiter verdienen 200.000 bzw 230.000 USH im Monat, waehrend ein normaler Lehrer 140.000 verdient. Ein gelernter Maurer verdient pro Tag 5.000 USH, das ist in der ganzen Gegend so ueblich und ein Handlanger 2.000 bis 2.500 USH. Dazu dann Porridge zum Fruehstueck und Lunch. Reicht das erstmal aus? (1 € = ca. 2500 U(gandische)SH(illing) Porridge = Aus Maismehl gekochter Griesbrei) E-Mail vom 20. Oktober 08: ….. Dann hat Mama mir am Telefon erzaehlt, dass Du diese Tage einen Film ueber Uganda in Hankensbuettel zeigst? Herzlichen Dank fuer diese Muehe und Liebe zu uns.Vielleicht hast Du Gelegenheit zu erwaehnen, dass die diesjaehrigen Weihnachtsgeschenke fuer unsere Waisenkinder noch nicht moeglich sind, weil ich keine Ahnung habe wo das Geld herkommen koennte. Wir haben 70 kleinere Kinder in der Grundschule, die keinerlei Unterstuetzung mehr haben. Und denen haben wir jedes Jahr zu Weihnachten ein Paar Schuhe und ein neues Kleid, bzw. Hose und Hemd geschenkt.God knows.Ohne mehr fuer heute mit lieben Gruessen, auch an Christel von Elisabeth" (Elisabeth rechnet pro Kind mit 20 € für das Weinachtsgeschenk) Inzwischen (6.12.08) haben ein paar Extraspenden Weihnachten in Butiro möglich gemacht. Praise the Lord! Danke allen Spendern!

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