Freitag, 12. August 2011

Melanies Reisebericht

Melanie aus Hamburg war in Butiru,

hier Ihr Bericht zum Lustmachen für unsere Gruppenreise im Herbst 2012

Bilder werden noch nachgereicht


Reisetagebuch Uganda 07.07.2011 bis 15.07.2011

 

 

07.07.2011        Nach vielen Vorbereitungen, Einkäufen und Planungen ist es endlich soweit: Aufstehen um 3:00 Uhr, es ist noch dunkel und auf zum Flughafen.

                        Von Hamburg über Brüssel nach Entebbe mit Zwischenstopp in Kigali (Burundi). Allein der Flug ist ein Erlebnis. Stundenlang nur Wüste unter mir. Ich bin überrascht, wie niedrig die Maschine fliegt. Ich kann sogar einzelne Wagen erkennen. Oder liegt das an der Luft, die frei von Feuchtigkeit ist?

 

                        Meine Sitznachbarin heißt Julia. Sie kommt aus Lyon (Frankreich) und hat einen 4 jährigen Sohn von dem sie mir Bilder zeigt. Er ist „milchkaffee-farbig" ein Mischling also. Süß! Julia besucht Freunde in Burundi, die dort heiraten. Der lange Flug (Knapp 8 Stunden von Brüssel) wird mit ihr sehr kurzweilig.

 

                        Die Zwischenlandung in Kigali ist spannend. Kurz vor der Landung erhellt ein Blitz die Nacht. Die Anschnallzeichen leuchten auf und die Maschine schwankt ziemlich. Gleich darauf landen wir aber in, wie es aus den kleinen Fenstern scheint in stockfinsterer Nacht. Erst nach einer Drehung der Maschine auf der Landebahn sehen wir die Lichter der Stadt. In Kigali sollen Passagiere zusteigen, die nach Entebbe und dann gleich wieder weiter nach Brüssel fliegen sollen. Der Zusteigeprozess verzögert sich. Computerausfall im Flughafen. Alle Check ins müssen manuell geprüft werden. Gegen 22:30 Uhr, mit einer knappen Stunde Verspätung, landen wir dann endlich in Entebbe. Bei der Einreise und beim Zoll gibt es keine Probleme. Mein Gepäck wird nicht einmal geprüft.

 

                        In der Ankunftshalle erwartet mich Moses unser Vertreter von der Mühlenchemie mit einem handgemalten Schild. „Melanie" steht darauf geschrieben. Ich bin dankbar, dass er mich zu so später Stunde abholt. Noch sehe ich einige Weiße aber ansonsten umgibt mich ein Meer von schwarzen Menschen.

 

                        Moses fährt mich durch die Nacht nach Kampala hinein. Die Straßenbeleuchtung funktioniert nicht. Es herrscht reges Treiben am Straßenrand. In einer sehr gefährlich anmutenden Art schlängeln sich Fußgänger, Rad- und Motorradfahrer durch den dichter werdenden Autoverkehr. Nicht nur einmal trete ich mit meinem Fuß auf die am Beifahrersitz nicht vorhandene Bremse. Zum Glück ist es dunkel und Moses sieht es hoffentlich nicht. Er bedauert sehr, dass es so dunkel ist und ich nicht mehr von seiner Stadt sehen kann.

 

                        Im Hotel angekommen verabschiede ich Moses und versichere mich, dass er mich zur Abreise in der Stadt abholt und wieder zum Flughafen bringt. Lieber mit ihm fahren, als mit einem der abenteuerlich anmutenden Taxis, die ich auf dem Weg sehe.

 

                        Mein Hotelzimmer ist in Ordnung, sehr stickig. Aber zum Glück funktioniert die Aircon. Trotz Moskitonetz ums Bett traue ich mich, aus Angst vor Malariamücken, nicht bei offenem Fenster zu schlafen, was mir eigentlich sehr recht gewesen wäre. Diese Sorge lasse ich im Verlauf der weiteren Reise allerdings sehr schnell fallen.

 

08.07.2011        Um 8:00 Uhr weckt mich der Wecker. Als erstes stürze ich ans Fenster und reiße die Vorhänge auf. Ich möchte doch endlich einen Blick auf Afrika bei Tageslicht werfen!

                        Der Himmel ist grau verhangen. Auf einem Gebäude gegenüber sehe ich Marabus sitzen und unter meinem Balkon Palmen und blühende Hibiskusbüsche. Ansonsten ein Gewirr von Häuserdächern. Schnell noch einmal duschen, wer weiß wann ich das wieder kann, und dann den Weg zum Frühstück suchen. Ich beschränke mich auf Wetabix und eine Banane. Alles andere erscheint mir nicht kosher. Ein Schluck Kaffee (Schüttel) und ich steige schnell auf Tee um. Besser ist es.

 

                        Um 10:00 Uhr findet mich Joseph in der Lobby. Er wurde mich bereits vor Abreise als „mein Abholer" angekündigt. Ich erkenne ihn natürlich nicht, da ich ihn noch nie vorher gesehen habe aber er geht zielstrebig auf die einzige Weiße, die dort in der Lobby sitzt, zu. Joseph ist Mitte zwanzig und in Butiru als „Sozialarbeiter" tätig. Er erklärt mir auf der Fahrt im Linienbus von Kampala nach Mbale (4,5 Stunden Fahrt) dass er die Familien besucht, die ihre Kinder ins Sponsorenprogramm geben wollen, und die tatsächlichen Lebensumstände überprüft. Schließlich muss er die Entscheidung treffen, ob die Familie wirklich so arm ist, dass das Kind in Butiru aufgenommen wird.

 

                        Im Bus ist es heiß, die Menschen riechen stark. Mein europäisches Näschen muss sich an diesen „Duft" erst einmal gewöhnen. Ich selbst bin natürlich die optische Attraktion. Wirklich jeder im Bus wirft mir verstohlene Blicke zu. Selbst die Babies auf den Armen ihrer Mütter scheinen mich anzustarren. Der Bus ist rappelvoll. Er fährt sowieso erst ab, wenn alle Plätze belegt sind. Einen Fahrplan gibt es nicht. Endlich geht es los und der Fahrtwind, der durch die geöffneten Fenster streicht entspannt die „Duftsituation" sehr. Dafür leidet jetzt mein Rücken. Wir sitzen in der letzten Reihe über der Hinterachse und der Bus rast ohne abzubremsen über jeden Verkehrsberuhigungsschweller, der ihm in den Weg kommt. Kein Wunder, dass alles an diesem Bus quietscht und klappert.

 

                        Die Landschaft durch die wir fahren, zeigt sich sehr grün und leicht hügelig. Inzwischen hat sich auch der morgendliche Dunstschleier verzogen und die Sonne lacht vom Himmel. Es ist warm, vielleicht 27 °C aber nicht zu heiß. Wir fahren durch kleine Dörfer, die chaotisch und schmutzig aussehen. Müll und die abgezogenen Blätter von Maiskolben liegen überall herum. Im Schatten der Bäume sitzen viele Männer, sich unterhaltend, schlafend oder einfach nur in die Gegend schauend. Viele Frauen tragen ihre Waren oder Wäsche oder was auch immer auf dem Kopf durch die Gegend, wie man es von typischen Afrikafotos in Deutschland her kennt. Manchmal hält der Bus und dann stürzen fliegende Händler an die Fenster, die Fleischspieße (Hühnchen und Leber, wie Joseph mir erklärt), gebratene Kochbananen, Wasser und Cola o.ä. zum Verkauf anbieten. Joseph kauft mir eine Flasche Wasser und prüft bevor er sie mir gibt, ob das Siegel auch intakt ist und es sich nicht um eine mit Regenwasser gefüllte Flasche handelt. Das könnte meinem Magen gefährlich werden.

 

                        Ich bin überrascht, wieviele Menschen in diesem Bus mit einem Handy telefonieren. Joseph erklärt, dass es nicht teuer in Uganda sei und da es kaum Festnetztelefonleitungen auf dem Land gäbe, nutzen die Menschen unsere Uralt-Handies zur Kommunikation. Auch Joseph hat eins dabei und klärt, dass in Mbale jemand auf uns wartet, der uns nach Butiru fährt.

 

                        Zu meiner Überraschung erwarten uns dort Schwester Elisabeth und ihr Mann Erasmus, die gerade ihren wöchentlichen Einkauf erledigt haben. Die Begrüßung ist sehr herzlich. Meine Koffer werden sicher auf der Ladefläche des Pickups verstaut genauso wie eine Kiste Wasser, die für meine Verwendung ist. und dann geht es über ausgewaschene Straßen, zu Beginn noch aus Aspahlt, in dem sich Schlagloch an Schlagloch reiht, später einfache Schotterstraßen nach Butiru. Die Fahrt dauert noch einmal eine knappe Stunde.

 

                        Unterwegs zeigt mir Elisabeth Schulen, die von der Stiftung „Kinder in Afrika" gebaut wurden. Man kann sie eigentlich immer an ihren blauen Dächern erkennen. Es sind einfache Gebäude. Aber sie sehen sauber und ordentlich aus.

 

                        Die Ankunft in Butiru ist wie erwartet. Die Kinder winken und alle starren den „Vista" (Besucher) an. Man gewöhnt sich langsam daran.

 

                        Das Haus von Elisabeth und Erasmus, das sich mitten auf dem Schulgelände befindet, ist einfach aber sauber. Elisabeth führt mich herum. Einziger Luxus ein Wasserklosett, das über einen Regenwassertank gespült wird. Keine Dusche, Strom nur zu den Zeiten, zu denen der Generator läuft. Das sind keine 24 Stunden am Tag. Eher zwei bis drei am Morgen und genauso lange am Abend. Genau weiß ich es nicht. Ich bin schon dankbar, dass ich nicht auf die Latrine vor dem Haus gehen muss.

                        Ich teile mir ein Zimmer mit Agatha, einem der vielen (wir errechnen später, dass es 16 Kinder sind, denen Elisabeth mit Ihrem Mann neben ihren eigenen 4 ein Zuhause und damit eine Zukunft gegeben hat) Ziehkinder. Agatha ist gerade von Ihrer Ausbildung zur Laborantin zurück und arbeitet jetzt in Butiru im Hospital. Durch Agatha haben die Leute im Dorf und die Kinder in der Schule jetzt die Möglichkeit der Krankheitserkennung durch Blutanalysen vor Ort und müssen nicht mehr die Fahrt nach Mbale auf sich nehmen.

 

                        Nach einer kurzen Pause mit deutschem Kaffee, den Elisabeth von ihrem Vater geschickt bekommen hat, führt sie mich durch die Anlage. Ich werde lauter Menschen vorgestellt und schüttele x Hände. Die ganzen Namen kann ich mir natürlich nicht merken. Junge Mädchen knien fast vor mir nieder, wenn sie mich begrüßen. Das ist mir sehr unangenehm. Elisabeth erklärt, dass es sich hierbei um eine Respektsbezeugung handelt, die den Mädchen und auch Frauen sehr schwer abzugewöhnen ist. Die Männer und Jungen begrüßen einen mit einem Handschlag, den man hier eher von „coolen Jungs" kennt. Dabei wird die Hand 3-fach gegriffen. Ersteinmal normal, dann nur der Daumen, dann wieder normal. Zu Beginn komme ich da nicht mit aber nach einer Weile und vielem Händeschütteln habe ich verstanden, wie es geht.

 

                        Zum Abendessen gibt es Bohnen, Reis und „Greens", eine Art Spinat, die ich vorher geschnitten habe. Als ich den Spinat „putzen" will, lacht mich Elisabeth aus. „Einfach kleinschneiden", sagt sie „wird eh alles gekocht". Also ignoriere ich die vielen kleinen Gewitterfliegen, die um das Grünzeugs herumfliegen und schneide klein. In einem unbeobachteten Moment Ziehe ich aber doch ein paar vertrocknete Blätter heraus und schüttel die Bündel einmal kräftig, damit wenigstens der gröbste Dreck herausfällt.

                        Agatha hat gekocht und es schmeckt überraschend gut. Vielleicht etwas zu salzig für meinen Geschmack, aber das hat vielleicht auch mit dem Wasserhaushalt im Körper hier zu tun.

 

                        Neben Agatha und den vier leiblichen Kindern von Elisabeth und Erasmus wohnt noch ein sechstes Kind im Haus. Angela, ich glaube 13 Jahre alt. Angela stammt aus einem Clan in den Bergen (Massai, Nomadenvolk) der noch immer heidnische Götter anbetet und ihnen opfert. Elisabeth sagte manchmal sogar Menschenopfer. Das Kind ist eine Frühgeburt. Ihre Mutter stirbt bei der Geburt. Da die Großeltern sich nicht um das Kind kümmern können, setzen Sie das Neugeborene für einige Tage in der Wildnis aus, in der Hoffnung, das das Kind dort den Tod findet. Die Kleine ist aber zäh und lebt nach drei Tagen immer noch. Daraufhin entschliessen sich die Großeltern das Kind in die Obhut eines englischen Ehepaares zu geben, das in der Gegend seiner sozial-christlichen Arbeit nachgeht. Dieses Ehepaar zieht Angela mit teelöffelweise Ziegenmilch groß. Leider sind nun beide Engländer kurz hintereinander in Butiru gestorben. Sie hinterlassen das Kind und einen Hund, Trixie. Angela verliert zum zweiten Mal ihre Wurzeln. Zum Glück kümmert sich Elisabeth um Kind und Hund. So dass das Mädchen ein neues Zuhause findet. Elisabeth versucht weiterhin Verwandte aus dem Familienclan ausfindig zu machen. Das erweist sich als sehr schwierig, da der Stamm nicht am gleichen Ort bleibt. Sie gibt aber nicht auf. Für einen Ugander ist die Zugehörigkeit zu „seinem Clan" sehr wichtig. Elisabeth möchte Angela wenigstens ein paar Wurzeln geben.

 

09.07.2011        Keine orthopädisch geformte Matratze, zu zweit in einem Zimmer, Moskitonetz und die ungewohnten Geräusche der afrikanischen Nacht. Trotzdem schlafe ich wunderbar.

                       

                        Nach dem Familienfrühstück um 6:30 Uhr, die Kinder müssen um 7:00 Uhr in der Schule sein, brechen Elisabeth, Erasmus und ich auf nach Busimy, ein Dorf in den Bergen, in dem auch eine Schule der Stiftung „Kinder in Afrika" steht. Diese Schule soll aus Stiftungsgeldern einen Erweiterungsbau bekommen. Heute werden die Gelder dafür übergeben und erste Vermessungen vor Ort vorgenommen.

 

                        Die Fahrt geht mit dem Pick Up, nach kurzer Reparatur der Gangschaltung in einer mittelalterlichen Werkstatt, über Stock und Stein in die Berge hinein. Die Werkstatt wird im Übrigen von Titus (Waise) betrieben, der auch durch Sponsorengelder seine Ausbildung machen konnte. Neben seiner Werkstatt ist er auch die „Tankstelle" in Butiru und verkauft Benzin in Colaflaschen und Diesel in 10l Kanistern.

 

 Die Gegend ist recht dicht besiedelt. Elisabeth erzählt mir, dass es hier noch viele Stämme gibt, die nach alten Riten und Traditionen leben, die nicht christlich ausgerichtet sind sondern Naturgötter anbeten, denen sie auch Opfer bringen. Das geht sogar in seltenen Fällen bis zu Menschenopfern. Am meisten kämpft Elisabeth bei diesen Stämmen aber gegen die Tradition der Beschneidung bei Mädchen. Was bei Jungen sogar einen gesundheitlich positiven Effekt hat, kann sich bei der Beschneidung bei Mädchen dramatisch auswirken auf sie spätere Gebärfähigkeit. Außerdem werden diese traditionellen Handlungen oft von alten Frauen vorgenommen, die von hygienischen Bedingungen noch nie etwas gehört haben. So sterben viele Mädchen an nachfolgenden Infektionskrankheiten. Die Aufklärung zu diesem Thema schreitet nur sehr langsam voran. Inzwischen unterstützt zum Glück die Regierung die Aufklärer und bietet den Beschneiderinnen für Ihren „Verdienstausfall" eine Kuh als Gegenleistung an.

 

Während Elisabeth in der Schule mit einem Maßband Aufmaß für die neuen Gebäude nimmt, steige ich mit Erasmus und dem „Schul-Askari", dem Wachmann, den Berg hoch um zu prüfen, warum die Quelle, die die Schule mit Wasser versorgen soll, nicht so richtig fließt. Ein Bauer hat rund um die Quelle seine Yams-Wurzeln gepflanzt und diese ziehen der Quelle nun das Wasser ab. Da das Land der Schule gehört muss Erasmus mit dem Bauern sprechen, dass das so nicht geht. Beim Abstieg entdecken wir einen „Pracht-Neubau". Ein Haus mit Doppelgarage, vielen Zimmern und überdachter Terrasse mit Blick über das Tal. Es führt sogar eine kleine Buchsbaum-Allee von der Straße zum Haus. Der Askari erklärt uns, dass dieses Haus von einem Schulrektor, der aus diesem Dorf stammt und jetzt in Kampala arbeitet, gebaut wird. Für mich ein eindeutiges Zeichen, wie groß die Diskrepanz zwischen Stadt und Land ist. Das Dorf selbst besteht nämlich nur aus Lehmhütten mit Blatt- oder Wellblechdächern.

 

Zurück in der Schule entdecke ich bei meinem Rundgang alte Singernähmaschinen, natürlich mit Pedal. Das Stromnetz ist hier oben natürlich noch nicht angekommen. Außerdem entdecke ich 3 alte Computer mit Röhrenmonitoren. Erasmus erklärt mir, dass die Schule an zwei Tagen in der Woche einen Extra-Generator anwirft damit ein paar Schülerinnen hier eine Sekretärinnen-Fortbildung machen können, mit der Sie in den Städten nach Abschluss eine Chance auf Anstellung haben.

 

Die Frau des Schulleiters, auch Lehrerin hier, serviert uns eine Kleinigkeit zu essen. Eine Art Pfannkuchen, ein hart gekochtes Ei und Tee. Während dieses Imbisses fängt es draußen wolkenbruchartig an zu regnen. Erasmus lehnt sich zurück und sagt: „Das müssen wir abwarten. Bei diesem Wetter können wir auf der Schotterpiste nicht fahren." Die regelmäßigen Regengüsse in den Bergen sind ein Segen. Alles ist grün, das Land ist fruchtbar. Ich liebe die blühenden Hibiskusbüsche und Bougainvilleen.

 

Schließlich machen wir uns dann doch bei Restregen auf den Weg. An der Straße laufen Menschen, die die riesigen Bananenblätter als Regenschirm benutzen. In einem Dorf ist Markttag. Fliegende Händler haben auf Planen ihre Waren ausgebreitet und bieten diese zum Verkauf an. Es ist ein einziges Gewimmel und Gewusel.

 

Zurück in Butiru verteile ich mit Elisabeth die IKEA-Solarlampen, die ich mitgebracht habe in den Schlafsälen. Sie sind sehr nützlich, wenn in mondlosen Nächten, nach 22:00 Uhr die Generatoren aus sind und kein Strom mehr da ist. In solchen Nächten ist es stockfinster hier. Mit den kleinen Lampen haben die Kinder dann wenigstens etwas Licht für den Notfall. Man kann sie auch prima als Taschenlampe zweckentfremden. Beim Gang über das Schulgelände kann ich verschiedenen Chorproben für den morgigen Gottesdienst lauschen. Die Stimmen und der Gesang sind ganz anders als bei uns in Deutschland. Ich spüre aber die Begeisterung mit der die Kinder bei der Probe dabei sind. Ganz besonders natürlich als sie merken, dass ich zuhöre.

 

Während ich hier jetzt sitze und Tagebuch schreibe, schleicht ein kleiner Junge aus dem Dorf um mich herum. Er hätte wohl zu gerne etwas aus meiner Gummibärchentüte in meinem Rucksack aus der ich ihm am Morgen etwas zugesteckt habe. Elisabeth hat mich vor ihm gewarnt er klaut wohl auch gerne mal etwas. Es ist ein Kind aus dem Dorf, der hier in die Vorschule geht. Die Internatskinder lassen ihn in keinem Fall in ihre Schlafsäle, da sie schon schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht haben. Ich ziehe also den Reisverschluss meines Rucksackes demonstrativ zu, nehme mir aber vor, ihm bei meiner Abreise noch ein paar Gummibärchen zu geben. Besser keine Gelegenheit bieten. Diebe erleiden hier, wenn sie beim Stehlen erwischt werden ein schreckliches Schicksal. Sie werden oftmals von der Bevölkerung zu Tode geprügelt.

 

Eine dunkelrote Abendsonne bricht sich ihren Weg durch die letzten Wolken. Es wird dunkel und das Abendessen ruft. Heute gibt es Kochbananen (Matooke) mit Soße bei Elisabeth. Ich bin gespannt.

 

10.07.2011        Heute ist Sonntag. Kirchtag! Der Gottesdienst hier ist ein Erlebnis, das nur schwer in beschreibende Worte zu fassen ist. Es wird gesungen, gelacht, geweint, getanzt und geklatscht. Es gibt viele Zwischenrufe. Die Leute sind nicht alle pünktlich man kommt, wie es passt. Oftmals wird sogar zweisprachig, für die Schulkinder englisch, für die Dorfbewohner in Swahili, gesprochen. Man betet gemeinsam für einen, der darum bittet. Einzelne treten vor und erzählen von Träumen oder Ereignissen, in denen sie sich Gott nahe fühlten. Es wird öffentlich um seelische Unterstützung für inhaftierte Familienangehörige, bei eigener HIV-Infektion und viele andere persönliche Sorgen gebeten. Menschen, die als Besucher in der Kirche sind, werden gebeten, sich der Gemeinde vorzustellen und zu sagen warum sie da sind. Es ist laut, fröhlich und inspirierend ganz anders als bei uns. Ich bin emotional sehr beeindruckt und mache keine Fotos. Es erscheint mir unpassend.

 

                        Nach diesem Erlebnis hat mich Robert Mungoma, ein ehemaliges Patenkind der SWG, der jetzt in der Secondary hier in Butiru Commerce, History und CRE (Christian Religion Education) unterrichtet nach Hause zu seinem Familienclan eingeladen. Er selbst wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern auf dem Schulgelände von Butiru. Ich bin sehr gespannt einmal zu sehen, wie die Menschen in Uganda leben.

 

                        Roberts Familie ist sehr arm. Der Clan wohnt in mehreren Lehmhütten, die zwischen ihren Feldern verteilt stehen. Bei meiner Ankunft scheinen sich alle versammelt zu haben. Ich schätze es sind zwischen 25 und 30 Personen, davon reichlich schmutzige Kinder. Es laufen Hühner und Ziegen durch die Gegend. Zuerst verstecken sich die Kinder vor mir, geben aber ihre Scheu schnell auf. Besonders als ich anbiete Fotos zu machen. Das begeistert alle immer wieder. Nicht nur die Kleinen. Ganz besonders, wenn ich ihnen gleich danach das Bild im Display der Digitalkamera zeigen kann.

 

                        Wir werden in eine der wenigen Hütten mit Wellblechdach geführt, wo wir uns setzen. Hier ist alles sehr aufgeräumt, nicht schwierig, da sich in diesem Raum nur ein paar Hocker, ein niedriger Tisch und ein paar Seiten aus einer Zeitschrift an den Wänden befindet. Es ist heiß und stickig hier drin. Der Schweiß läuft. Keiner aus der Familie ist bei uns. Zum Glück ist es auch für Erasmus zu warm. Wir greifen uns einen Stuhl und setzen uns ins Freie, wo ein leichter, erfrischender Wind weht. Eine Tante von Robert, die eine Nursery betreibt und „nebenbei" vier eigene Kinder und acht Waisen älterer verstorbener Brüder groß zieht sucht den Rat von Erasmus. Robert nimmt mich währenddessen mit auf einen Gang über das Gelände des Clans um mir zu zeigen, wer wo alles wohnt. Ich begrüße alles, was mir über den Weg läuft. Selbst ältere Frauen gehen hier fast auf die Knie, wenn sie die Mosungo begrüßen. Es ist mir sehr unangenehm. Bei einer Frau verhindert Robert, dass ich ihr die Hand gebe. Infektionsgefahr? Ich weiß es nicht und frage auch nicht.

 

                        Robert erklärt mir, dass die nächste Wasserstelle etwas 2 km entfernt liegt und täglich diese Strecke gelaufen werden muss, um jeden Tropfen Nass heran zu holen. Schließlich werden wir in eine Hütte gebeten, zum Glück mit Grasdach, durch das ein leichter Wind geht, in der sich Roberts Vater und einige Onkel zu uns setzen. Verschiedene Reden werden gehalten, in denen ich begrüßt werde und gelobt, dass wir der ugandischen Bevölkerung soviel Unterstützung geben. Robert ist übrigens nicht dabei. Wahrscheinlich steht es ihm nicht zu diesem Kreis der „Alten" beizusitzen. Einer von Roberts Onkeln ist Pastor mit politischen Ambitionen. Er übernimmt die Übersetzung für mich. Er ist auch derjenige, der Roberts intellektuelles Potential erkannt hat und dafür gesorgt hat, dass die Familie einen Antrag auf Unterstützung für die Schule in Butiru gestellt hat. Zum Glück hat Robert seiner Familie vorher eingetrichtert, dass sie mich nicht um Unterstützung anbetteln sollen. Das entspannt die Situation. Am Ende gebe ich Robert etwas Geld für seine Familie. Umgerechnet etwa 25 Euro. Für uns nicht viel aber in Uganda ein großzügiges Geschenk.

 

                        Nach dem „Palaver" gibt es etwas zu Essen. Allerdings nur für Roberts Vater, den gebildeten Onkel, Erasmus und mich. Was alle anderen außerhalb der Hütte machen, keine Ahnung. Zu trinken gibt es Sodas (Cola, Mirinda, Wasser). Ich trinke eine Cola um den Magen zu unterstützen, falls es Probleme geben sollte. Die Kronkorken werden übrigens einem der größeren Jungs zum Spielen in die Hand gedrückt. Er zieht selig damit ab. Hier bekomme ich mein erstes afrikanisches Fleisch. Anscheinend hat die Familie zu meinen Ehren ein Huhn geschlachtet. Es gibt drei (!) Sättigungsbeilagen, Matooke, Kartoffeln (fast wie zu Hause) und eine weitere Pampe, die, wie sich rausstellt, ein Maisbrei ist, der ziemlich geschmacksneutral ist. Ich esse mit den Fingern! Bestecke gibt es nicht. Verstohlene Seitenblicke zu Erasmus zeigen mir, wie man es macht.

 

                        Nach dem Essen verabschieden wir uns. Ich erhalte noch 10 Eier als Gastgeschenk, die ich im Pick Up vorsichtig halte, damit sie mir auf den Trampelpfaden über die wir zum Clan gefahren sind, nicht kaputt gehen. Ich habe das Gefühl, goldenen Eier zu transportieren aber nur, weil ich weiß, wieviel Wert sie für diese arme Familie haben. Ich beschließe später die Eier ins Hopehouse, das Waisenhaus in Butiru, zu geben. Etwas Abwechslung auf dem Speiseplan.

 

                        Am Abend lädt uns dann Robert noch in seine Lehrerwohnung zum Abendessen ein. Zwei warme Mahlzeiten an einem Tag. Luxus! Er möchte gerne, dass ich seine Frau und seine Kinder kennenlerne. Er äußert immer wieder seine Dankbarkeit darüber, dass wir ihn in seiner Schul- und Berufsausbildung unterstützt haben. Die Lehrerwohnung ist etwa 30 qm groß und besteht, so ich das sehen kann aus zwei Räumen. Einem vorderen, in dem wir uns aufhalten und einem hinteren in dem gekocht und wohl auch geschlafen wird. Die Lehrer haben eine gemeinsame Latrine draußen. Die Wände sind dreckig, der Boden aus Beton. Auch hier also ganz einfache Verhältnisse. Aber alle scheinen glücklich zu sein. Einziger Luxus ein ganz kleiner Fernseher, der auch läuft als wir ankommen. Noch ist ja der Generator an. Allerdings verliert sich das Schwarz-Weiß-Bild ganz schnell in Schneegriesel, als ein abendlicher Regenschauer vorbeizieht. Da kommt die Antenne wohl nicht gegen an. Roberts Frau ist es unangenehm, dass ich ihren kleinen Sohn ohne Windeln auf meinen Schoß nehme. Sie befürchtet ein feuchtes Unglück. Es passiert aber nichts und der Kleine betrachtet recht zufrieden von seinem bequemen Platz aus die Umgebung.

 

                        Wir bleiben nicht lange. Nach dem Essen falle ich hundemüde in mein Bett.

 

11.07.2011        Heut steht ein kleiner „Erledigungsmarathon" auf dem Programm. Erst versuchen wir uns nach Mbale, der nächst größeren Stadt, ca. eine Stunde Fahrt von Butiru, durchzuschlagen. Problematisch deshalb, weil gestreikt werden soll wegen der schlechten Straßenverhältnisse. Die Streikenden halten Busse, Sammeltaxis und Motorräder auf, die als öffentlicher Transport dienen und Steuern an den Staat dafür zahlen müssen. Auch Privatfahrzeuge werden aufgehalten und kurzfristig „beschlagnahmt" Und tatsächlich, als wir vom Schulgelände fahren, hat sich bereits eine Menschenmenge angesammelt, die alles andere als friedlich wirkt. Etwas weiter weg sehen wir einen sich prügelnden Haufen. Wahrscheinlich will ein Motorrad-Taxifahrer sein Fahrzeug zurück haben. Außerdem stehen viele „Gestrandete" herum, die weiterfahren wollen. Ein paar junge Männer nutzen die Gelegenheit und springen auf die Ladefläche unseres Pick Ups. Elisabeth lässt Erasmus sofort anhalten und verscheucht die Schwarzfahrer. Wir sind eh schon überladen und die bereits handgeschweißten Achsen des Autos können dieser Überbelastung auf den schlechten Straßen sicherlich auch nicht standhalten. Nach erfolgreicher Mission klettert Elisabeth wieder in den Wagen und stimmt mit Erasmus überein, besser nicht die Hauptstraße zu benutzen sondern auf Umwegen die Strecke nach Mbale in Angriff zu nehmen. Das gelingt dann auch ohne Probleme. In Mbale wollen wir einen Cyclostyler (ich hoffe, das ist richtig geschrieben) besorgen. Ein Manuelle Kopiergerät, das jede Schule bekommt, die einen Gebäude-Neubau beginnt. Mit Hilfe dieses Gerätes können Seiten kopiert werden. Es ist wichtig, den Kindern von Zeit zu Zeit gedruckte Lehrmittel in die Hände zu geben. Zu viele Kinder haben bereits in den staatlichen Prüfungen versagt, weil sie zu lange gebraucht haben die Prüfungsaufgaben zu entziffern. Sie waren nur an die Handschrift des Lehrers gewöhnt.

 

                        Leider sind bei dem indischen Händler in Mbale alle Cyclostyler ausverkauft. Ärgerlich. Die Bestellung dauert einige Tage (african time!). Also fahren wir mit leeren Händen weiter nach Buyaga. Dort gibt es eine Schule mit etwa 600 Kindern, die zur Zeit noch in größtenteils defekten Lehmhütten unterrichtet werden. Ich versuche alle anwesenden Schulkinder in den Innenhof zu rufen und ein Gruppenbild zu machen. Es ist kaum möglich.

 

                        Die Stiftung „Kinder in Afrika" hat hier den Bau von Klassenzimmern und Lehrerwohnungen bewilligt. Elisabeth hat mich gebeten, hier als Vertreterin der Stiftung aufzutreten und den „Baustart" zu geben. Erasmus erklärt mir einen interessanten Aspekt: Die Stiftung kümmert sich um den Bau der Schulgebäude, die Dorfgemeinschaft muss mit Arbeitsleistung für den Bau von Latrinen aufkommen. Das Material dafür kommt auch von der Stiftung. Die Latrinen sind ein wesentlicher Aspekt für den Fortschritt im Bereich Hygiene und die Beteiligung durch Arbeitsleistung der Anwohner setzt den Wert der Schulbauten herauf. Es wird nicht alles vor die Nase gesetzt sondern man muss auch seinen Teil dazu beitragen. Das gefällt mir.

 

                        Auch hier wird ein Bauteam aus Butiru eingesetzt unter der Leitung von Andrew, einem Elisabeth treu ergebenem Mitarbeiter. Elisabeth erklärt mir, dass die Arbeiten sowie der Wachjob (der Askari) in keinem Fall von dorfeigenen Leuten gemacht werden darf. Man kann gar nicht so schnell gucken, wie dann Zementsäcke und Steine Füße bekommen und verschwinden. Es sollte immer von jemanden gemacht werden, der nicht aus dem Dorf kommt und somit auch keine familiären Bindungen zu den Dorfbewohnern hat. Hier in Uganda hat nämlich die Familie Vorrang vor dem Arbeitgeber und wie soll dann der Bauleiter dem Wunsch eines Angehörigen nach einem kleinen Sack Zement widersprechen?

 

                        Nach der ordentlichen „Baustart-Genehmigung", einigem Palaver und einem kleinen Mittagessen geht es dann zurück nach Mbale. Dort heißt es zur Post, Briefe und Pakete abholen (eine Patin aus Deutschland hat einem Jungen einen Fußball geschickt. Mit Pumpe!), ins Internetcafé, E-Mails checken und beantworten, in die Bücherei, Bücher für die Kinder zurückbringen, in den Supermarkt und auf den Markt. Hört sich an, als wäre das alles schnell erledigt aber hier dauert eben alles etwas länger. Bis der Postbeamte die Paketausgabe in seinem riesigen Buch notiert hat, bis im Internetcafé die Verbindung steht und das angehängte PDF auf dem Bildschirm erscheint oder der Drucker endlich funktionsbereit ist usw. Geduld…..

                        Der Markt ist interessant. Durch eine Art Hohlweg, in der die Schlachter und ähnliches stehen (es stinkt hier erbärmlich und ist ziemlich dunkel) gelangen wir auf eine Art Platz, der dicht gestopft ist mit kleinen Ständen und Buden. Sie stehen so dicht beieinander, dass man wirklich aufpassen muss, nicht in die Waren zu fallen. Die Präsentation der Waren ist anders als bei uns. Mais und Reis usw. wird direkt aus Säcken heraus verkauft (Ich suche verzweifelt nach einem Mehlsack, kann aber keinen sehen), Fleisch liegt ungekühlt auf den Verkaufstischen und wird intensiv von ganzen Fliegenschwärmen untersucht. Ich habe ein paar Fotos gemacht, die aber längst nicht alles wiedergeben, was meine Augen, Ohren und meine Nase erfassen.

 

                        Am späten Nachmittag können wir uns dann endlich auf den Rückweg machen. Es bleibt nur kurz Zeit zum einmal Wasser über Gesicht und Arme spritzen und dann bin ich auch schon bei Mrs. Alupo, der Leiterin der Grundschule (Primary) eingeladen. Erasmus begleitet mich und es wird ein sehr netter Abend. Mrs. Alupo hat vier Kinder einen Sohn von 16 Jahren und die jüngste ist etwa 4 Jahre. Die anderen beiden liegen dazwischen. Ihr Mann ist Landwirt und wohnt nicht in der Schule mit ihr, da seine Felder zu weit weg sind. Trotzdem scheinen sie ein glückliches Paar zu sein zumindest wenn man ihren Erzählungen glauben darf. Die Jüngste, Lynn, ist ein kleiner Wirbelwind. Sie hat ihren eigenen Kopf und lässt sich nur sehr ungern etwas von ihrer Mutter sagen. Sie erheitert allerdings die ganze Runde. Zum Abschied bekomme ich von Mrs. Alupo sogar noch ein Geschenk. Entgegen ugandischer Tradition ein Geschenk in Abwesenheit des Gebers auszupacken, packe ich das Geschenk vor aller Augen aus und zeige ihr meine Freude über das hübsche afrikanische Tablett, das in Handarbeit hergestellt wurde und das ist wirkklich kein Theater ich freue mich sehr darüber!

 

12.07.2011        Heute früh möchte Elisabeth mit mir gleich um 8:00 eine Schule besuchen in einem nahegelegenen Dorf. Diese Schule hat Förderung für den Neubau von Klassenzimmern beantragt. Elisabeth möchte prüfen ob an der Schule alles gut läuft, bevor sie den Antrag gegenüber der Stiftung befürwortet. Um 5 Minuten nach 8:00 Uhr treffen wir an der Schule ein. Schon von weitem sehen wir, dass draußen viele Kinder spielen. Elisabeth ist sich sofort bewusst: „Da ist noch kein Lehrer da." Und tatsächlich, etwa 150 Kinder toben vor der Schule herum und weit und breit kein Lehrer in Sicht. Elisabeth ist sauer! Wieso sollte sie hier eine Förderung befürworten? Wir fahren um 8:20 Uhr davon und noch immer ist kein Lehrer in Sicht. Elisabeth sagt: „Warte ab, der Headteacher steht allerspätestens morgen früh in Butiru in meinem Büro und wird Abbitte leisten wollen."

 

                        Auf dem Rückweg nach Butiru halten wir noch an einer weiteren Schule. Hier ist der Unterricht in vollem Gang. Draußen wird geturnt, drinnen gesungen und gelernt. Selbst die Kleinsten in der Nursery sind schon vollzählig da und werden betreut. Ein gutes Beispiel also.

 

                        Den Rest des Vormittages nutze ich um mir den Unterricht von unserem ehemaligen Patenkind Robert anzuhören und einen Blick in die Werkstätten zu werfen. In der Schreinerei wird eifrig an einer Sitzbank gehobelt und Fensterrahmen und Türzargen stehen schon bereit für den laufenden Ausbau der Mädchen Schlafsäle. Die Eigenleistung wird einmal aus Kostengründen erbracht aber auch um die „Azubis" gleich mit praktischer Eigenleistung auszubilden. In der Schreinerei arbeitet übrigens auch ein junger Mann, der als Kind an Polio erkrankt ist und dessen Beine gelähmt sind.

 

                        Gegen Mittag esse ich mit Elisabeth im kleinen Restaurant am Schuleingang eine Art Berliner und trinke einen Tee (sehr süß). Dieses kleine Restaurant wird von einer Witwe betrieben, die hier die Fremdarbeiter versorgt. Auch das ist prima durchdacht. Die Witwe verdient sich eine Kleinigkeit und die Mitarbeiter sparen sich den Zeitaufwand selbst kochen zu müssen. Eine Art Kantine also.

 

                        Jetzt heißt es: Schnell umziehen „schick machen" ist angesagt. Es geht mit Erasmus nach Makunya. Dort weihe ich anstelle von Elisabeth als „guest of honor" ein neues Schulgebäude mit ein. Wir werden schon erwartet. Auf dem Schulgelände steht auch eine Kirche. Dort werden wir vorne, vis a vis allen anderen Gästen platziert. An den Seiten zu unserer Linken und Rechten sitzen andere „Officials". Ein Vertreter des Bischofs, der „Bürgermeister" von Makunya, Elternvertreter sowie Lehrer anderer Schulen.

 

                        Die Reden der „Officials" sind lang und ermüdend. Die meisten werden, mir zu Ehren, auf Englisch gehalten. Wo es nicht klappt, übersetzt der Headteacher für mich. Erasmus und einige Zuhörer schlafen erst einmal auf ihren Stühlen ein. Erasmus hofft später, dass ich die Form gewahrt habe. Tue ich! Besonders schön sind die Vorführungen der Kinder. Nicht nur Lieder zu Ehren der „Vistas" (Besucher) sondern auch ein kleines Musik-Schauspiel, dass von einer Familie handelt, deren Vater zur Jagd geht und die Mutter sich Sorgen um ihn macht, alles mit glücklichem Ausgang,

 

                        Erasmus betont in seiner Rede die Leistungen von Elisabeth, die sich wirklich rund um die Uhr für die Kinder Ugandas einsetzt. Er hat noch nie eine so kompetent aktive Frau gesehen und ist sehr stolz auf sie. Außerdem erklärt er den Zuhörern, dass von Butiru aus 22 Schulen (ich hoffe ich erinnere die Zahl richtig) betreut und überwacht werden. Eine Mammut-Aufgabe. Eigentlich könnte man dafür allein schon einen Schulinspektor einstellen. Er fragt mich, ob ich diese Aufgabe nicht übernehmen könnte.

 

                        Im Anschluss bittet er mich, auch einige Worte zu sagen. Da ich die letzte in der Reihe bin, mache ich es kurz und schmerzlos. Ich appelliere vorallem an die Eltern und Kinder, das neue Gebäude mit Leben und Zukunft zu füllen. Die Stiftung kann zwar das Haus bauen, die Arbeit liegt aber bei den Familien Ugandas die Kinder für eine bessere Zukunft des Landes zur schulischen Ausbildung zu schicken. „Every child hast he right to learn!"

 

                        Dann werden die neuen Räume besichtigt. Das Durchschneiden des Bandes überlasse ich dem Repräsentanten des Bischofs. Er ist mir sehr dankbar und wirft sich vor den Fotografen in Positur. Ich werfe auch einen Blick in die alten Klassenräume aus Lehm und Holz, die aussehen, als werden sie jeden Moment in sich zusammenfallen.

 

                        Es werden mir Geschenke überreicht. Eine Kiste Tomaten, ein Sack Zwiebeln, ein Sack Kartoffeln, 2 Bündel Matooke (Kochbananen) und zu guter Letzt ein lebendes Huhn und ein Hahn. Besonders rührt mich eine Mutter an, die nichts hat, ihre Kinder trotzdem in die Schule schickt und mir auch noch zwei Eier überreicht.

 

                        Das übliche Essen im Anschluss wird für mich das erste Mal zu einem Problem. Das Huhn ist so zäh, dass ich es nicht klein bekomme. Da wieder einmal mit den Fingern gegessen wird, müsste ich mit den Zähnen so am Knochen herum reißen, dass ich sicherlich alles in die Gegend gespritzt hätte. Ich entschuldige mich mit kleinen Magenproblemen und esse nur etwas Reis. Erasmus lacht mich später aus. Er hat meine Not beobachtet. Stimmt mir allerdings zu, dass der Vogel fast ungenießbar war.

 

                        Wir kommen spät zurück nach Butiru und ich bin froh, dass diesmal keine Einladung ansteht. Ich unterhalte mich lange und intensiv mit Elisabeth. Ich habe das Gefühl, hier entsteht eine richtige Freundschaft.

 

13.07.2011        Kurz vor der Abfahrt nach Nyondo taucht tatsächllich der Headteacher der Schule auf, die wir gestern beucht haben. Er ist ganz kleinlaut und versucht sich und seine Kollegen zu erklären. Die Ausflüchte sind fadenscheinig. Elisabeth redet ihm streng ins Gewissen und bittet auch mich, ihm als Sponsor ein paar Worte zu sagen. Ich gebe mich entsetzt über die Unpünklichkeit der Lehrer. Es könnte einem Kind ja auch auf dem Schulgelände etwas passieren und dann? Elisabeth beschließt, bevor der Antrag auf den Bau weiterer Klassenräume nach Deutschland geschickt wird, die Schule bis zum Ende des jahres weiter zu überprüfen und immer einmal wieder spontan, ohne Vorankündigung vorbei zu sehen. Der arme Kerl verabschiedet sich sichtlich geknickt.

 

Dann geht es wieder los. Diesmal nach Nyondo. Dort gibt es ein Teachers College, in dem Studenten zu Lehrern ausgebildet werden. Dort ist zur Zeit auch Constanze, eines unserer Patenkinder. Sie hat uns noch nie gesehen und ist dementsprechend etwas schüchtern. Das legt sich aber, als sie uns die Anlage zeigt. Auch hier sind die Schlafsäle ziemlich voll. 40-60 Menschen in einem Raum. Trotzdem ist alles aufgeräumt und sauber. Der Headteacher sagt mir, dass darauf auch ganz besonders Wert gelegt wird. Die zukünftigen Lehrer sollen ihren Schülern später ja mit gutem Beispiel vorangehen. Auf dem Rückweg zum Auto nimmt Constanze meine Hand und bedankt sich sehr für unsere Unterstützung. Sie ist sehr glücklich, dass sie eine Zukunft hat und verspricht, uns nicht zu enttäuschen. Außerdem fragt sie mich ganz schüchtern ob ich hoffentlich bald einmal wieder komme.

 

Mittags sind wir zurück und nach einer kurzen Pause geht es weiter mit Paul. Paul ist zuständig für das Projekt „Microfinance". Hier erhalten Frauen einen Kredit von 48.000 Schilling zum Aufbau eines eigenen kleinen Geschäftes. Mal ist es ein Marktstand, mal die Anschaffung einer Nähmaschine usw. Dieser Kredit muss in 2.000 Schilling-Raten zurückgezahlt werden. Um die Rückzahlung zu gewährleisten, müssen sich die Frauen in 5er-Gruppen zusammenfinden und gemeinsam die erste Kreditnehmerin auswählen. Die anderen erhalten dann sukzessive auch ihre Kredite. Diese Form sichert die Rückzahlung besser als wenn Einzelkredite vergeben würden. Die Frauen kontrollieren und helfen sich gegenseitig. Oft zahlen Sie ihre Rate auch nach Rückzahlung des Kredites weiter und legen sich so ein kleines Sparpolster an. Ein tolles System, dass diesen Familien ein Einkommen sichert.

 

Ich fahre mit Paul per Motorrad in die Berge. Das letzte Mal habe ich vor zwanzig Jahren auf so einem Ding gesessen. Paul fährt aber mit seiner kostbaren Fracht trotz der schlechten Straßenverhältnisse sehr vorsichtig. Ich genieße es, den Wind im Gesicht zu spüren und einen freien Blick auf die Landschaft um mich herum zu haben. Die Kinder am Weg erkennen den „Mosungo" und winken mir fröhlich zu.

 

In Popoto angekommen, kann ich mich am Panorama des Berges vor mir nicht satt sehen. Es ist wunderschön!

Wir setzen uns mit den Damen, es werden so an die 50 sein, in ein Räumchen, in dem im Hintergrund Zwiebeln lagern. Paul holt seine Bücher raus und los geht die Einzahlung. Doppelte und dreifache Buchführung. Ich unterstütze Paul, wo ich kann. Gucken, wer als nächstes dran ist, schon einmal die entsprechende Seite aufschlagen usw. Wir sind bald zwei Stunden beschäftigt. Mittendrin erreicht mich ein Anruf aus Deutschland. Herr Wywiol sitzt mit einer Reporterin vom Hamburger Abendblatt zusammen und möchte wissen, ob es schon Bilder vom Bullen gibt. Leider nein. Der Bulle ist noch nicht angekommen. und wird es wohl auch nicht mehr während meines Aufenthaltes hier. Irgendwelche bürokratischen Probleme, die noch nicht behoben sind. African time….

 

Zum Glück entdecken wir auf der Rückfahrt einen kenianischen Bullen am Wegrand. Wir halten an und fotografieren ihn zur Sicherheit. So haben wir wenigstens ein Foto.

 

Am Abend bin ich mit Elisabeth und Erasmus bei Maurice, dem Headteacher der Secondary eingeladen. Maurice ist ein Albino. Seine Haut und seine Haare sind weiß. Diese Menschen gibt es hier häufiger. Sie haben große gesundheitliche Probleme. Die Haut verbrennt sehr schnell, deshalb habe ich auch Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 mitgebracht, und die Augen sind sehr schwach. Ich tippe auf starke Kurzsichtigkeit. Seine Brille wurde ihm bei einem Einbruch gestohlen. Ich muss hier unbedingt sehen, ob ich helfen kann. Leider ist das Messen der Werte bei Albinos ziemlich kompliziert und kann wohl nur in Kampala gemacht werden. Auch im Hope House bei den Waisen gibt es zwei Albinos. Elisabeth will versuchen, alle bei Gelegenheit einmal nach Kampala zur Untersuchung zu schicken. Vielleicht kann ich dann hier Sponsoren für die Brillen finden. Sollte möglich sein.

 

Maurice, der schon seit einigen Jahren Headteacher in Butiru ist sehr intelligent und will nun auch noch seinen Master machen. Er ist eine große Unterstützung für Elisabeth. Sein Haus ist im Verhältnis zu den anderen Lehrerwohnungen, die ich gesehen habe, gemütlich eingerichtet. Dicke tiefe Sofas und Sessel zieren den Wohnraum. Man merkt, dass er schon länger hier wohnt und sich gemütlich eingerichtet hat. Zum Nachtisch gibt es übrigens Wassermelone, frisch geerntet. Lecker!

 

Das ist mein letzter Abend in Butiru morgen muss ich mich leider auf den langen Heimweg machen. Ich würde gerne noch länger bleiben.

 

15.07.20111      Heute geht es nach Hause. Erst mit dem Pick Up nach Mbale, dann mit dem Bus nach Kampala. Agatha und Mary begleiten mich, da sie am kommenden Tag gleich den nächsten Besucher vom Flughafen abholen werden. Der Abschied von Elisabeth fällt schwer. Auf gute deutsche Art machen wir es kurz.

 

                        Am frühen Morgen erreicht uns noch die Nachricht, dass der Bulle jetzt am Sonntag geliefert werden soll. Schade, da bin ich schon wieder zu Hause.

 

                        Während der Busfahrt sauge ich noch einmal alles in mich auf, was mir auf dem Hinweg entgangen ist. Ich sehe viele kleine Felder der Einheimischen aber auch riesige Rohrzucker-Felder, die zu einer ansässigen Zucker Raffinerie gehören. Außerdem zeigt mir Agathe große Teefelder. Ich hatte bisher keine Ahnung, wie eine Teepflanze aussieht! Außerdem geht mir durch den Kopf, wie man noch helfen könnte. Ich werde mal versuchen, bei IKEA ein paar Solarlampen abzustauben und mal sehen, was ich erreichen kann bzgl. der Internet-Anbindung für Elisabeth. Das wäre wirklich eine große Unterstützung für sie und vorallem eine riesige Zeitersparnis. Vielleicht kann ich auch die Ahrensburger Rotarier und Lions dazu bewegen, etwas in Richtung eines neuen Fahrzeugs zu tun. Und dann sind da natürlich die Mitarbeiter der SWG. Vielleicht kann ich einige überzeugen, sich eine Patenschaft zu teilen. Das sollte machbar sein.

Die Fahrt vergeht wie im Fluge. In Kampala treffen wir Moses, den MC-Vertreter. Jetzt muss ich mich von Mary und Agatha verabschieden. Es fällt mir sehr schwer.

 

Moses macht mit dem Wagen eine kleine Stadtrundfahrt mit mir. Er möchte mir die Schönheiten von Kampala zeigen. Die Stadt verteilt sich auf verschiedene Hügel. Unteranderem zeigt er mir den katholischen und den protestantischen Hügel auf denen jeweils prächtige Sakralbauten stehen. Ein dritter Hügel trägt den Regierungspalast und ein vierter Das „Schloss", in dem vormals die Könige von Buganda, einem autonomen Königreich innerhalb Ugandas residierten. Das muss ich mir unbedingt noch einmal bei Wiki anschauen.

 

Nach einem gemütlichen Abendessen fährt mich Moses zum Flughafen. Zum Glück sind wir recht früh losgefahren, denn wir landen inmitten eines chaotischen Staus. es geht weder vor noch zurück. Meine scherzhafte Bemerkung: „Die haben wahrscheinlich für den Präsidenten abgesperrt" erweist sich tatsächlich als richtig. Irgendwann rauschen ein paar schwere Limousinen an uns vorbei, begleitet von schwer bewaffnetem Militär. Ein Zwischenfall erregt die Gemüter der Wartenden. Ein Motorradfahrer hat sich durch die Absperrungen geschummelt und will weiterfahren. Er wird von den anwesenden Polizisten brutal gestoppt, von seinem Motorrad gerissen und sogar geschlagen. Es juckt mir in den Fingern, die Kamera zu zücken und zu fotografieren. Ich halte mich dann doch lieber zurück, er könnte zu einem unliebsamen Zwischenfall kommen, wenn mich die Polizei dabei erwischt. Moses bestätigt mir das. Die Menge beschimpft die Polizisten lautstark und heftiges Diskutieren hebt an. Die Straße ist jetzt wieder frei und wir fahren weiter. Das Ende dieses Zwischenfalls kann ich leider nicht mehr beobachten.

 

Moses muss mich vor dem Flughafen verabschieden. Ich habe aber keine Probleme mit den Kontrollen und dem Check in. Aus dem Handgepäck eines Fluggastes nach Frankreich ertönen laute, merkwürdige Geräusche. Es dauert eine Weile, bis ich feststelle, dass dort ein Affe transportiert wird. Spannend.

 

Eine aufregende Reise geht zu Ende. Es waren immens viele Eindrücke. Mit Sicherheit werde ich im nächsten Jahr wieder kommen und dann länger als eine Woche. Ich bin stolz auf das, was die Stern-Wywiol Gruppe in Uganda tut und hoffe, diese Hilfe noch ausbauen zu können. Es lohnt sich!

 

 

Melanie Nikschat